Künstliche Intelligenz: Wird Google uns irgendwann die Welt erklären?
Die Fähigkeiten Googles werden von der Nutzerschaft gelobt und geschätzt. Täglich besuchen Millionen Menschen die Suchmaschine und füttern sie so mit unzähligen Informationshäppchen. Intelligent programmierte Algorithmen, die im Hintergrund laufen, sammeln, sortieren, kategorisieren, klassifizieren und analysieren diese Informationen kontinuierlich. Mit den Ergebnissen dieser Arbeit ist die Software in der Lage, sehr genau vorherzusagen, wonach der Nutzer sucht und welche Inhalte sich gut eignen, seinen Wissensdurst zu stillen.
Und je öfter ein Nutzer sucht, umso genauer werden die Vorhersagen. Google scheint uns zu verstehen. Aber ist die Suchmaschine deswegen intelligent? Wir versuchen, die Frage für Euch zu klären.
Wenn wir etwas suchen, erhalten wir auf den Ergebnisseiten Werbung. Mit jeder neuen Suchanfrage, mit der Interaktion, mit jedem Klick und jeder Sekunde, die wir auf einer von Google beobachteten Seite verweilen, füttern wir die Suchmaschine mit weiteren Informationen über uns. So kann der Netz-Gigant immer präzisere Anzeigen und Ergebnisse liefern. In einen Moment suchen wir noch nach Möbeln für die neue Wohnung und im nächsten Moment präsentiert uns Google Werbung für ein in der Nähe gelegenes Möbelhaus. Google lernt mit der Zeit.
Bei den Suchergebnissen selbst sieht es ähnlich aus: Mit der Nutzung der Suche erhalten wir immer passendere Informationen, die auf unsere Bedürfnisse zurechtgeschnitten sind. Auch die sogenannten Suggestions – Suchbegriffsvorschläge, die beim Eintippen erscheinen – scheinen uns manchmal besser zu kennen als wir selbst. Ob Google dadurch schon „intelligent“ wird, erfordert die Klärung einer anderen Frage:
„Was ist künstliche Intelligenz?“
Künstliche Intelligenz zu erklären, ist nicht ganz einfach. Der Begriff ist sehr vielseitig und es gibt eine Reihe von Gebieten, auf denen in dieser Richtung geforscht und entwickelt wird. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird unter künstlicher Intelligenz eine Maschine oder ein Computer verstanden, der auf den Menschen reagiert, mit diesem kommuniziert und ihm antworten gibt, als wäre er selbst ein Mensch, ähnlich dem Bord-Computer aus der Serie „Star Trek“ oder den Robotern aus dem Film „iRobot“.
Genau betrachtet teilt sich der Begriff der künstlichen Intelligenz jedoch in viele verschiedene Themengebiete auf, die nicht zwingend miteinander in Verbindung stehen müssen. Im Folgenden stelle ich zwei prominente Beispiele künstlicher Intelligenz vor:
1. Sprache zerlegen
So ist beispielsweise die Spracherkennung durch Computer ein Versuch, eine künstliche Intelligenz zu schaffen, die aus einem analogen Strom von Schallwellen ein digitales Paket Informationen erzeugt. Dabei muss diese Intelligenz unterscheiden lernen, was ein Wort ist – wann es beginnt und aufhört, ob etwa ein langer oder kurzer Vokal gesprochen wurde. Sie muss Wörter aus anderen Geräuschen extrahieren können und vor allem muss sie die Sprache richtig erkennen. All das erfordert viel Arbeit und ist selbst für Menschen, natürlich im Kleinkindalter, nicht immer einfach
2. Sehen und Erkennen
Ein anderes Gebiet ist beispielsweise die Musteranalyse bzw. Musterkennung, wie sie zum Beispiel bei der Schrifterkennung, bei der Erkennung von Fingerabdrücken oder beim Irisscan eingesetzt wird. Hier muss die künstliche Intelligenz Muster von Hintergrundrauschen, Unreinheiten oder anderen Störfaktoren unterscheiden und sie extrahieren. Sie muss Merkmale erkennen und wichtiger noch, zweifelsfrei wiedererkennen und von ähnlichen aber nicht gleichen unterscheiden können. Dabei ist der Software zunächst egal, um welche Information, etwa um welchen Buchstaben oder wessen Fingerabdruck es sich handelt. Sie selbst muss erkennen und klassifizieren, gruppieren und beurteilen. Erst später, mitunter sogar in einer anderen Software, kann dann mit anderen Datensätzen verglichen werden.
Wie intelligent ist „intelligent“?
Künstliche Intelligenz geht aber noch viel weiter als Muster, Sprache oder Objekte zu erkennen. Fast noch wichtiger ist, aus bekanntem Wissen Schlüsse zu ziehen, Zusammenhänge zu erkennen, vorauszudenken und zu planen. Eine wahre Intelligenz kann ihre Umwelt, im besten Fall sogar sich selbst, beschreiben, Zusammenhänge erklären, Ziele formulieren und entsprechend entscheiden. In den meisten Fällen beschränken sich diese Fähigkeiten allerdings auf vom Menschen vorgegebene Verhaltensstrategien, deren Parameter sich mit der Zeit des Lernens anpassen, in ihren Grundzügen allerdings gleich bleiben.
Turings Test – Können Maschinen uns täuschen?
Der Informatiker und Mathematiker Alan Turing, der im zweiten Weltkrieg damit befasst war, die Funksprüche der Deutschen zu entschlüsseln, nahm sich zusätzlich dem Thema der künstlichen Intelligenz an. Er entwickelte den sogenannten Turing Test, durch den entschieden werden können sollte, ob eine Maschine intelligent ist. Konkret geht es darum, dass man eine Person mit einem Computer kommunizieren lässt, ohne dass sie weiß, dass es sich um einen Computer handelt. Kann sie den Rechner aufgrund seiner Antworten nicht von einem Menschen unterscheiden, sei von Intelligenz zu sprechen. Es gab einige Versuche, eine solche Software zu schreiben, die mit dem Menschen kommuniziert, doch funktionierten sie nur in sehr beschränktem Maße. Mit komplizierten sprachlichen und unvorhergesehenen Situationen kamen sie nicht zurecht und reagierten unnatürlich, was sie als Maschinen entlarvte.
Dem Test werden einige Punkte entgegengehalten, die ihn als ungeeignet beschreiben. So könne eine Maschine beispielsweise gleichzeitig intelligent aber trotzdem nicht in der Lage sein, wie ein Mensch zu kommunizieren. Desweiteren prüfe der Test lediglich Funktionalität, nicht jedoch Intentionalität oder Bewusstsein. Dem ist zu entgegnen, dass ein System auch ohne Bewusstsein intelligent sein kann und eine Intention nicht vorliegen muss. Eine Anweisung kann bereits ausreichen.
Wolfram Alpha – Suchmaschine steht Rede und Antwort
Neben Google existieren noch unzählige weitere Suchmaschinen. Eine davon ist Wolfram Alpha, bei der eine Software im Hintergrund arbeitet, die Antworten auf Fragen des Nutzers gibt. So kann man (ausschließlich auf Englisch) der Suchmaschine zum Beispiel die Frage stellen „How high is the Mount Everest?“ und sie wird antworten „8850 meters“, ergänzt um einige weitere Informationen wie eine Landkarte, Temperatur und Athmosphärendetails. Wolfram ist allerdings ebenfalls keine echte künstliche Intelligenz. Warum?
Hinter Wolfram Alpha steckt eine Software, der versucht wurde, die Grammatik und Syntax der englischen Sprache beizubringen, um englische Sätze zu analysieren und „verstehen“ zu können. „Verstehen“ ist jedoch nicht ganz präzise, denn die Suchmaschine versteht nicht wirklich, sondern interpretiert aus der Frage extrahierte Wörter aufgrund vorgegebener Regeln. Man erhält daher lediglich den Eindruck, sie würde verstehen.
Cleverbot – Die Dialogmaschine
Einer der spannendsten Schritte auf dem Weg zur künstlichen Intelligenz ist „Cleverbot“, der 2011 in einem Wettbewerb zum Turing-Test herausgefordert wurde. Die Teilnehmer „sprachen“ mit Cleverbot und führten einige Dialoge. 59,3% der Teilnehmer vermuteten eine Person hinter Cleverbot. Die Konkurrenz, bestehend aus echten Menschen anstelle von Cleverbot, erzielte lediglich 63,3%.
Wenn du auch herausfinden möchtest, wie gut Cleverbot wirklich ist, führe einfach einen Dialog mit ihm auf www.cleverbot.com.
Was ist Google?
Auch wenn die Fortschritte im Bereich der künstlichen Intelligenz beträchtlich sind und bereits 1997 den Schachweltmeister Garry Kasparow seinen Titel kostete, so lässt sich noch nicht behaupten, dass Google oder irgendeine andere Maschine oder Software eine künstliche Intelligenz sei oder besäße.
Google analysiert, bewertet und entscheidet – jedoch nur aufgrund gegebener Regeln, die von den Entwicklern stammen.
Der Algorithmus entwickelt nicht selbst neue Strategien. Er „denkt“ nicht. Er handelt auch nicht moralisch. Er ist nach wie vor nichts weiter als eine bewusstlose Software, die so komplexe Verhaltensmuster aufweist, dass man dazu neigen könnte, ihm Intelligenz zuzuschreiben.
Aufgrund der rasanten Entwicklung in diesem Bereich wäre es aber denkbar, dass Google sich irgendwann als Frage-Antwort-Maschine nutzen lässt, so wie es Wolfram Alpha derzeit anstrebt, doch wird es bis dahin noch einige Jahre oder Jahrzehnte dauern. Darüber hinaus möchte vielleicht nicht jeder Nutzer einen Dialog mit seiner Suchmaschine führen, sondern Ergebnisse geliefert bekommen.
Künstliche Intelligenz ist ein sehr weitreichendes und komplexes Thema. Der Algorithmus von Google ist ebenfalls hochkomplex und wird ständig angepasst. Die Vorteile einer Kombination beider Technologien liegen deutlich auf der Hand:
Was wäre wenn?
Verstünde die Suchmaschine Google den Nutzer nicht, könnte sie so lange mit ihm einen Dialog führen, bis sie wüsste, was der Nutzer möchte. Der Nutzer würde also in fast jedem Fall eine richtige oder zumindest relevante Antwort erhalten. Doch dazu müsste Google nicht nur lernen, Gesichter, Gemälde und Sehenswürdigkeiten zu erkennen, wie es aktuell mit der Android-App „Google Goggles“ möglich ist. Um tatsächlich „Antworten“ – im Sinne einer Konversation – zu geben, müsste der Algorithmus die gesamte Welt abstrahieren und verstehen, Objekte kennenlernen, klassifizieren und sortieren, bewerten, gewichten, in Verbindung bringen und zusätzlich Sprache lernen.
Aufgrund des extremen Aufwands, der dazu betrieben werden müsste, wird es vorerst wohl eher bei konventionellen Suchmaschinen bleiben. Google wird uns also kaum die Welt erklären, das Finden von Informationen über diese jedoch deutlich erleichtern und beschleunigen. Immer präzisere Vorhersagen nehmen uns das Erkennen und Finden von Assoziationen und Verbindungen ab. Die gefundenen Informationen müssen wir aber (bisher noch) alleine zusammensetzen.
Die Auswirkungen von intelligenten Suchmaschinen auf SEO
Wären Suchmaschinen wirklich so intelligent wie beschrieben, hätte das nicht nur auf die Nutzer Auswirkungen. Auch auf die SEO-Branche wäre der Einfluss enorm. Herkömmliche Methoden würden vermutlich größtenteils verworfen, altbekannte Wege müssten verlassen und das Denken grundlegend umgekrempelt werden. Keywords würden wohl nicht mehr oder nur noch unzureichend funktionieren, Backlinks würden hinterfragt und Content gelesen und verstanden.
Google würde nicht mehr einfach nur schlucken und verarbeiten, sondern die gefundene Information sorgfältig lesen und hinterfragen. Faktisch falsche Daten würden binnen kürzester Zeit erkannt, irreführende Links oder Weiterleitungen entlarvt und schlechter von gutem Inhalt getrennt werden.
SEOs und Webmaster müssten wahrscheinlich beginnen, in einen Dialog mit der Suchmaschine zu treten und sich rechtfertigen.
Wir müssten „jemandem“ mit Wissen über Milliarden von Webseiten plausibel erklären, warum die zu optimierende Webseite besonders relevant ist. Weist die Seite keinen relevanten Inhalt auf, wäre dieses Unterfangen sinnlos. Im Endeffekt würde die Intelligenz der Suchmaschine dazu führen, dass das inhaltliche Niveau der Suchergebnisse drastisch steigen würde, viele Seiten aus dem Index entfernt werden und eine radikale Neustrukturierung stattfindet.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass eine intelligente Suchmaschine enorme Vorteile für den Nutzer mit sich bringen würde. Neben der steigenden Präzision und dem hohen qualitativen Niveau, das möglich wäre, würde besonders auch die hohe Geschwindigkeit, mit der ein Ergebnis gefunden wird, positiv auffallen. Durch die Kombination der Suchmaschine mit einem Sprachinterface wären auch Menschen, die ansonsten keinen Computer bedienen können, in der Lage, im Internet etwas zu suchen und zu finden.
Nichtsdestotrotz bliebe immer auch ein gewisser Argwohn gegenüber der neuen Technologie. Kritiker könnten behaupten, eine solch intelligente Suchmaschine wäre nicht mehr sehr weit von einer selbstständig denkenden Entität entfernt, die sich unserer Kontrolle entzieht und autark entscheidet. Doch dem ist entgegenzuhalten, dass die Algorithmen, auf denen die Intelligenz der Maschine basiert, immer vom Menschen stammen und der Mensch somit in der Hand hat, was passiert.
Wir bleiben gespannt! Ihr auch?
Gruß Mario