Shopbetreiber wegen Analytics von Klagen bedroht
Google hat derzeit mit seinen Angeboten keinen leichten Stand in Deutschland. Zuerst zieht das halbe Land aus Angst vor Streetview die verpixelten Vorhänge zu und nun droht den Nutzern von Google Analytics Ungemach. Der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar hält die Nutzung des Googledienstes für unzulässig. Klingt doof, ist aber so.
Und weil Herr Caspar konsequent ist, will er mit seinen Kollegen vom Datenschutz auch gleich die passenden Musterklagen vorbereiten.
Zwar hatte Google in der letzten Zeit kräftig nachgebessert, um den Datenschützern entgegenzukommen, doch denen gehen die Anpassungen nicht weit genug. Caspars Behörde brach nun den Dialog mit dem Datenriesen ab, mit der Begründung, die Anpassungen seien nicht ausreichend. Ende 2009 stellten die Datenschützer fünf Forderungen (http://www.datenschutz-berlin.de/attachments/630/Duess_Kreis_Nov2009_Ausgestaltung_von_Analyseverfahren.pdf), von denen zumindest zwei nach Caspar nicht ausreichend erfüllt sind:
1) Die Besucher der Webseiten müssen die Möglichkeit haben, der Erstellung von Nutzerprofilen zu widersprechen.
2) Google darf die vollständigen IP-Adressen nur erfassen, wenn die Nutzer zustimmen.
Der ersten Forderung glaubte Google mit einer Analytics-Deaktivierung durch eine einfache Browser-Erweiterung entsprochen zu haben. Da diese Erweiterung jedoch noch nicht bei den Browsern Safari und Opera funktioniert, sieht Datenschützer Caspar circa 10 Prozent der Internetnutzer in Deutschland von einer Möglichkeit des Widerspruchs ausgeschlossen.
Um der zweiten Forderung nachzukommen, bietet Google den Seitenbetreibern an, IP-Adressen der Besucher zu verkürzen. So ist eine geografische Lokalisation der Besucher nur noch grob möglich.
Umso überraschter zeigte sich Googles deutscher Datenschutzbeauftragter Per Meyerdierks über den Abbruch der Gespräche. Seiner Ansicht nach habe man mit den Maßnahmen den Forderungen der deutschen Datenschutzbehörden entsprochen.
Bis zu diesem Punkt können Deutschlands Shopbetreiber den Debatten noch gelassen entgegensehen. Allerdings will Caspar mit den anderen Datenschutzbehörden noch prüfen, ob Datenschützer auch gegen die Nutzer von Google Analytics vorgehen. Damit nicht genug. Nun prüfen die Datenschützer, ob man einen Musterprozess gegen ein größeres Unternehmen in Deutschland anstrengt und wies auch darauf hin, dass auf Analytics-Nutzer empfindliche Bußgelder zukommen könnten.
Böse Zungen würden jetzt unken, dass da ein Esel den anderen Langohr schimpft. In wenigen Monaten kommt auf 10 Prozent der deutschen Bevölkerung eine Großbefragung in Form der Volkszählung zu. Ich kann mich noch gut an den Zensus 1987 erinnern. Hier kämpften Teile der Bevölkerung jahrelang erbittert aber erfolglos gegen die Datenerhebung. Und wenn es um die Gebühren für Radio und Fernsehen geht, hat der Staat keine Probleme, dass die GEZ-Kontrolleure auch unsere Nachbarschaft befragen, ob wir heimlich fernsehen. Und auch sonst sollen wir, wenn es nach staatlicher Meinung geht, der Ausspähung und Speicherung von Daten zustimmen. Schließlich dient alles einem guten Zweck.
Hier aber geht es um den bösen Datenriesen Google. Und plötzlich mutiert der Bundesbürger, der gerade eben noch all seine Daten mit Begeisterung rausrücken sollte, zum schützenswerten Individuum. Nun kann man verstehen, dass Datenschützer kein gutes Gefühl haben, wenn Informationen nicht nur an Shopbetreiber gehen, sondern auch an den Datensammler aus Kalifornien. Allerdings stellt sich die Frage, ob hier nicht übertriebene Panikmache stattfindet. Hier scheint es angebracht, den Bundesbürger über den Zweck von Analytics aufzuklären, bevor man ihn seiner Mündigkeit beraubt.
Für Betreiber von Onlineshops ist Google Analytics ein hervorragendes Mittel, um den eigenen Onlineauftritt zu verbessern, Schwachstellen im Shop auszumerzen. Über welche Suchbegriffe kommen Besucher auf meine Seite? Wie lange bleiben sie auf meiner Seite und wo springen sie wieder ab? Welche Artikel kommen besonders gut an und mit welchen Seiten kommen meine Besucher überhaupt nicht zurecht? Bei diesen und vielen weiteren Fragen hilft dem Besitzer eines Internetshops Google Analytics. So unterstützt uns Google (wenn auch nicht ganz uneigennützig) dabei, die Benutzerzufriedenheit zu erhöhen.
Und schließlich erwarten wir auch als Besucher eines Shops ein positives Gefühl beim Einkaufen. Wir akzeptieren es, dass man uns in vordefinierten Bahnen wie eine Herde Schafe durch den Supermarkt führt. Obst und Gemüse werden mit Wasserdampf besprüht, um bei uns ein Gefühl von Frische zu hinterlassen. Besucher werden mit Düften und angenehmer Musik zum Kaufen verführt. Psychologen spähen uns unentwegt aus, um uns beim Besuch des Supermarkts das Geld aus unseren Taschen zu ziehen. All dies akzeptiert der Gesetzgeber und schlussendlich auch wir.
Damit haben wir aber noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht. In den Einkaufstempeln bietet man uns minimale Rabatte an, wenn wir spezielle Karten bei der Bezahlung einscannen lassen. Dass wir damit jeden unserer Einkäufe bis ins kleinste Detail offenlegen, steht auf einem anderen Stern. Seien Sie also vorsichtig, wenn Sie beim nächsten Mal vier Flaschen Schnaps für eine Party kaufen. Nicht nur dass Sie eventuell als Alkoholiker abgestempelt sind, kann es Ihnen plötzlich passieren, dass Sie in nächster Zeit verstärkt Werbung von Spirituosenverkäufern erhalten.
Auch sollten Sie zurückhaltend sein, wenn Sie bei einem großen Versandhandel bestellen. Manche Unternehmen verkaufen Ihre Daten an Callcenter, die Ihnen dann im Auftrag ihrer Kunden am Telefon Waren verkaufen wollen. Haben Sie schon einmal bei einem Preisausschreiben teilgenommen? Keine gute Idee, denn Ihre angegebenen Daten werden umgehend an Callcenter verkauft.
An allen Ecken und Enden warten Datensammler auf uns, sammeln unsere Informationen und sorgen dafür, dass wir unser Erspartes an den richtigen Stellen ausgeben. Die gelegentlichen Bemühungen des Gesetzgebers dem entgegenzuwirken sind löblich. Allerdings verpuffen sie oft wirkungslos.
Wo aber besteht die Gefahr bei Googles Datensammelei?
Nehmen wir mal den schlimmsten Fall an und Google könnte (und würde) die von mir besuchten Seiten eindeutig mit meiner Person verknüpfen. Selbst wenn Google entgegen der Versprechen die Daten verkauft, würde mir nichts passieren, was mir nicht heute schon im täglichen Leben immer wieder begegnet. Und die Gefahr von personalisierter Werbung beim nächsten Besuch der Google-Homepage ist nur dann unangenehm, wenn ich heimlich Pornoseiten suche und meiner Frau erklären muss, warum Google bei mir immer Werbung von Seitensprungagenturen anzeigt.
Wir alle breiten im Netz in gewisser Form unser Leben und unsere Vorlieben aus. Wir surfen tagtäglich im Netz, wohl wissend, dass diese Daten nach dem Ausschalten des Computers nicht verlorengehen. Unsere persönlichen Daten sind leicht zugänglich in den verschiedensten Netzwerken zu finden. Wir haben keine Hemmungen, unsere intimsten Erlebnisse und privaten Bilder bei Facebook zu posten, doch kaum dreht es sich um Google, glaubt der Gesetzgeber uns warnen und beschützen zu müssen.
Kaum einer, der nicht die vielfältigen Möglichkeiten und Dienste von Google nutzt. Der Datensammler aus Mountain View hat unser Surfverhalten und den Nutzen von Suchmaschinen in den letzten 13 Jahren grundlegend verändert. Wer sich wie ich noch an die Suchmaschinen vor 15 Jahren und mehr erinnert, weiß den Fortschritt des vergangenen Jahrzehnts zu schätzen.
„Wasch mir den Pelz aber mach mich nicht nass!“
Mit diesem alten Spruch lässt sich die jetzige Situation wohl gut umschreiben. Vielleicht sollte man die Suchmaschinen Google, Bing und Yahoo für eine Woche ausknipsen. Es wäre doch spannend zu sehen, wie wir ohne all die Datensammler mit ihren vielfältigen Möglichkeiten auskommen.
Autor: Armin Ginschel